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Es braucht Mut zu Veränderung!

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Unter der Moderation von Ulrike Ostner (Bayrischer Rundfunk) diskutierten vor einem aufmerksamen Publikum Dr. Karin Jurczyk (Abteilungsleiterin Familie und Familienpolitik am Deutschen Jugendinstitut e.V. München, Mitbegründerin der Initiative „CareMachtMehr“), Hubert Plepla (Koordinator für das seniorenpolitische Gesamtkonzept Unterallgäu), Carolina Trautner (MdL des Bayerischen Landtages) sowie Martina Neubauer (Personalentwicklerin am Landratsamt in München, Stadt- und Kreisrätin Starnberg) und berichteten, wie sie beruflichen und familiären Anforderungen gerecht werden. „Die Lebenssituationen von Frauen haben sich in den letzten Jahrzehnten wesentlich verändert. Bisher bestehende Lebensmodelle funktionieren meist nicht mehr.
Damit der Spagat zwischen Beruf, Karriere und der Fürsorge für die Familie gelingt, muss es ein konsequentes Umdenken in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft geben“, so KDFB-Bildungsreferentin Maria Hierl. Dr. Karin Jurczyk stellte die Vereinbarkeit aus wissenschaftlicher Perspektive dar. Es war schon immer so, dass Männer und Frauen verschiedene Arbeitszeitmodelle hatten, die in Einklang gebracht werden mussten. Der Unterschied zu heute besteht im Wesentlichen darin, dass sich die klaren Normen und Strukturen seit den 70 Jahren immer mehr aufgelöst haben. Die Müttererwerbstätigkeit ist gestiegen, dazu wird immer mehr Mobilität, Flexibilität und Verfügbarkeit gefordert. Im familiären Bereich sind neue Geschlechterkonzepte entstanden. Oft ist es ökonomisch notwendig, dass beide zum Verdienst beitragen. Eltern haben heutzutage erhöhte Anforderungen an Bildung und Erziehung. All dies führt zu einer höheren Belastung, zu Zeitdruck und Erschöpfung.50% der Eltern wünscht sich mehr Partnerschaftlichkeit in der Rollenaufteilung, nur 15% leben dies tatsächlich. Hürden sind dabei neben den ökonomischen Gründen auch die Geschlechterrolle und die Arbeitswelt, die oftmals die Familien unzureichend unterstützt. Es gibt aus wissenschaftlicher Sicht viele Ansätze die sich mit dem Thema beschäftigen, wir müssen uns nur trauen, mutig zu denken. Nur dann können grundlegende Veränderungen bewirkt werden. Wichtig ist es dabei, den ganzen Lebenslauf in den Focus  zu rücken und den Blick auch auf die Männer zu richten. Diese müssen lauter und offensiver werden, damit sie zu Veränderung beitragen zu können. Carolina Trautner ist der Ansicht, dass jede Frau für sich ihr individuelles Familienmodell finden muss. Sie selbst ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Als gelernte Apothekerin hat sie sich anfangs mit der Unterstützung der Mutter und eines privaten sozialen Netzwerkes um die Erziehung gekümmert und nebenbei in Teilzeit gearbeitet. Trautner fordert der Spagat zwischen Beruf und Arbeit sehr viel ab, so dass Zeit für sich selbst und die Partnerschaft oft zu kurz kommt. In der frühkindlichen Betreuung sieht Trautner den Bedarf sehr gut abgedeckt, die schulische Betreuung am Nachmittag und in den Ferien muss dringend verbessert werden.
Hubert Plepla hat als Koordinator für das seniorenpolitische Gesamtkonzept vor allem die immer älter werdende Gesellschaft im Blick. Wunsch der meisten ist es, möglichst lange zu Hause bleiben zu können. Eine Entwurzelung im Alter stellt sich als schwierig dar. Plepla entwickelt sozialraumorientierte Unterstützungsprojekte, passgenau für jede Gemeinde. Diese sollen Freiräume für alle Beteiligten schaffen. Plepla selbst hat zwei Kinder, bei der Betreuung haben ihn die (Schwieger-)Eltern unterstützt. Plepla ist gelernter Krankenpfleger und hat auch die Schwiegereltern als sie krank und pflegebedürftig wurden, zu Hause gepflegt. Flexible Arbeitszeiten und ein Home-Office-Arbeitsplatz erleichterten dies. Plepla hält die vorherrschenden Arbeitszeitmodelle für überholt, diese müssen sich schnellstmöglich an unsere individuellen Anforderungen anpassen.
Martina Neubauer profitierte bei der Erziehung Ihres Sohnes von ihrem sozialen Netzwerk und vor allem ihrer Mutter vor Ort. Dank Home-Office und flexiblen Arbeitszeiten konnte Neubauer relativ früh wieder in Vollzeit arbeiten und wurde dabei auch durch ihren Mann unterstützt.

Karin Jurczyk hat zwei Söhne. Für sie und ihren Mann war bei der Erziehung die alles entscheidende Frage: „Wie kriegen wir alles zusammen hin?“  So wurden die Arbeitsmodelle je nach Bedarf den Anforderungen angepasst. Einig waren sich alle Beteiligten, dass es schwer ist, sehr viel Arbeitspensum mit der Familie und der Pflege zu vereinbaren. Alles zur gleichen Zeit geht nicht! In Deutschland stellt die Wirtschaft hohe Anforderungen an junge Familien. Es kann und muss nicht alles (Ausbildung, Karriere, Heirat, Kinder) in ein bis zwei Jahrzehnte gepresst werden. Außerdem müssten sorgefreundliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Wichtiger Aspekt beim Thema „Vereinbarkeit“ ist auf jeden Fall die Rente. Wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen im Alter ist aktuell nur sehr schwer umsetzbar, Familien- und Pflegezeiten müssen noch viel stärker berücksichtigt werden als bisher. Alle Beteiligten waren sich einig, dass der ganze Lebenslauf sowohl der Frauen als auch der Männer im Blick behalten werden soll. Dr. Jurczyk stellte ihre Idee der „Atmenden Lebensläufe“ vor. Jeder soll dabei Anspruch auf Optionszeiten (Budgets) haben, die er individuell für Erziehungs- und Pflegezeiten nutzen kann ohne dass dies zu Einbußen führt. Die politischen Rahmenbedingungen müssen  unbedingt an veränderte gesellschaftliche Bedingungen angepasst werden. Es wird nie die EINE Lösung geben. Die Herausforderung ist, Rahmenbedingungen zu schaffen, die allen Erleichterung bei der Vereinbarkeit bringen.

14.11.2016
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von li nach re: Dr. Karin Jurczyk, Ulrike Ostner, Carolina Trautner


von li nach re: Dr. Karin Jurczyk, Martina Neubauer, Ulrike Ostner, Mechthilde Lagleder, Hubert Plepla, Carolina Trautner, Maria Hierl