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Frauenportrait selbst.bewusst.offen

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Elisabeth Schedler ist Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin mit eigener Praxis, ist verheiratet und Mutter von drei erwachsenen Kindern. Bereits seit vielen Jahren ist sie aktiv in der Friedensarbeit. Im Gespräch mit Dr. Ursula Schell (Geistliche Begleiterin des KDFB) berichtet sie von ihrem Engagement.

Elisabeth, Du engagierst Dich ja seit vielen Jahren für den Frieden und ich erlebe Dich als selbst.bewusst.offen. Wann begann dieses Engagement und was war der Anlass?
Es gab bei mir 1980 ein Schlüsselerlebnis. Ich war mit Freund*innen in dem Musical-Film „Hair“. In der Schlussszene marschieren Soldaten in den „Rachen“ eines Flugzeugs, der sie nach Vietnam in den Krieg bringen soll. Ich war bei dieser Szene sehr verzweifelt, traurig, betroffen und wusste, ich muss etwas gegen den Wahnsinn der Kriegstreiberei tun. Erst Jahre später wurde mir klar, was mich so sehr angerührt hatte. Es war die Erinnerung an meinen Vater, der mit 17 Jahren wie so viele andere junge Menschen in den 2. Weltkrieg gezwungen wurde. Aus seinen kargen Erzählungen und beim Vergleichen von Fotos, habe ich erfahren, wie ihn dieser Krieg verändert hat, wie er seine Jugend zerstört hat und ihm Zeit seines Lebens Kraft geraubt hat.

Dann kam der Nato-Doppelbeschluss in den 1980er Jahren. Die für mich unsinnige Begründung, dass Hochrüstung zur gegenseitigen Abschreckung diene hat mein Engagement noch mehr geweckt.  Spirituelle und politische Heimat habe ich dann in der internationalen Friedensbewegung pax christi gefunden.

Welche Anliegen und Projekte sind Dir wichtig und wie versuchst Du etwas zu bewirken?
Gewaltfreiheit, Abbau von Feindbildern, die Aktion Aufschrei und die friedens räume in Lindau – diese Anliegen und Projekt verfolge ich seit Jahren.
Die große Vision ist, dass wir als Gesellschaften lernen, gewaltfrei miteinander umzugehen im persönlichen Leben, aber auch gerade zwischen Völkern. Leider sind wir davon noch weit entfernt  – wie die weltweiten Kriege zeigen.  Ohne beharrliche, wenn auch kleine Schritte, kommen wir nicht zu diesem Ziel. Es gibt viele Beispiele (sie werden leider nicht in die Geschichtsbücher mit aufgenommen) die zeigen, wie wirksam und vor allem auch nachhaltig gewaltfreie Konfliktbearbeitung sein kann. Ich spreche hier von Vermittlungen auf politischer Ebene zwischen verfeindeten Parteien, Ethnien….

Ein wichtiger Gesichtspunkt für die gewaltfreie Arbeit ist der Umgang und die Haltung den Menschen gegenüber. Wenn ein Krieg geführt werden soll, werden als erstes Feindbilder geschaffen, damit das sogenannte Volk bereit ist zu kämpfen. Wahrheiten werden geopfert, um „den Feind“ zu bekämpfen. Ich habe in all den Jahren erkannt, dass es sehr sinnvoll ist,  Feindbilder genau anzuschauen und hinter dem vermeintlichen Feind den Menschen zu erkennen und zu schauen was ist notwendig für den anderen. Das ist nicht naiv gedacht, wie vielleicht jetzt manche*r denken möchte, das ist ganz konkret und lösungsorientiert und lässt sich durchbuchstabieren auf jeder Ebene von persönlich zu politisch und weltumfassend.

Die Aktion Aufschrei – stoppt den Waffenhandel  wird von über 100 Organisationen getragen – sie ist für mich ein wichtiger Schritt.   Informiert sein, zu wissen, dass von unserem Land durch die Waffenexporte Krieg möglich ist, sich immer und immer wieder durch Unterschriften, Straßenaktionen, Vorträge Gehör zu verschaffen ist wichtig und tritt auf gegen die Kultur des „Wegsehens“, die da sagt: „Wenn wir die Waffen nicht produzieren tun es die Anderen“.

Seit über 17 Jahren engagiere ich mich zudem für eine aktive Friedensbildungsarbeit in den friedens räumen Lindau im Leitungsteam. Diese Form der Bildungs- und Aufklärungsarbeit ist für mich sehr wichtig. Die friedens räume sind mehr als ein Museum und natürlich kann ich einen Besuch dort sehr empfehlen. In den friedens räumen ist es uns geglückt, durch die Form der Dauerausstellungen eine konstruktive Auseinandersetzung  mit dem Thema Frieden zu führen. Es ist ganz bewusst kein Anti-Kriegs-Museum entstanden, sondern ein Museum welches ermutigt, selbst aktiv zu werden und viele Beispiele einer konstruktiven Friedensarbeit kennen zu lernen.

Noch etwas ist mir wichtig: Ich lebe in einem kleinen Dorf süd-westlich von Augsburg. Als ich mich in den 1980er Jahren politisiert habe war das Thema der Basisarbeit ganz wichtig. In dem Dorf engagiere ich mich in der Pfarrgemeinde und bin immer wieder erstaunt, was wir gemeinsam mit den Menschen vor Ort auf die Beine stellen können und welche Energie dadurch frei wird.

Manchmal entsteht ja der Eindruck, dass es In Friedensfragen eher rückwärts als vorwärts geht. Was motiviert Dich dennoch dran zu bleiben und was gibt Dir Kraft?
Ja, das stimmt. Und ich bin manchmal sehr frustriert, wenn die Diskussion immer wieder darum geht, dass wir den Frieden schon wollen, aber die anderen eben nicht und dass wir bedroht werden. Im Moment eben auch immer die vielen Kommentare über Flüchtlinge, die nur gut hier auf unsere Kosten leben wollen – diese zynischen Aussagen verletzen mich sehr.

Nichts zu tun ist für mich keine Alternative, denn damit nehme ich uns allen die Chance auf Veränderung und den Glauben an Entwicklung. Meine christliche Religion gibt mir Richtung und Kraft, das schätze ich sehr. Ich habe ja schon pax christi erwähnt. In dieser Bewegung begegne ich Menschen, die mit auf dem Weg sind, die nicht einen fertigen Glauben präsentieren, sondern miteinander um Antworten ringen. Dieses Ringen erlebe ich als Kraftquelle.

Halt, noch etwas gibt mir Kraft! Seit vielen Jahren singe ich in einem Chor – Musik machen und tanzen sind ganz persönliche Kraftquellen für mich.

Was erlebst Du zurzeit als größte Herausforderung?
Anständig, ehrlich, achtsam  mit Menschen umzugehen, egal welcher Hautfarbe, welcher Nation oder Religion –  es macht mir große Sorgen, wenn ich sehe, wie Fremdenfeindlichkeit immer salonfähiger wird.

Welche schönen bereichernden Erfahrungen machst Du in Deinem Engagement?Begegnungen mit Menschen und die Erkenntnis, dass sich etwas bewegen lässt.  Als wir die Neukonzeption der friedens räume erarbeitet haben, hat uns eine „Fachkraft“ aus der Kulturarbeit vorausgesagt, dass wir das nicht lange schaffen werden, ohne viel Geld, ohne hauptamtliche Kräfte.  Wir schaffen es seit über 17 Jahren und arbeiten mit einem Team von über 50 ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen. Wir haben es geschafft, eine Teilzeitkraft auf Spendenbasis anzustellen und und und – wenn das keine guten und bereichernden Erfahrungen sind!

Was wünschst Du Dir für die Zukunft?
Mutige Menschen, die aktiv eintreten für Menschenwürde  – sie ist unantastbar!  Dann entwickelt sich Frieden, daran glaube ich.

 

Autor: Dr. Ursula Schell, Geistliche Begleiterin des KDFB-Diözesanverbandes
29.01.2018
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