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In ihren Begrüßungsworten rücken sowohl Prof. Dr. Julia Seiderer-Nack, Gleichstellungs-beauftragte der Stiftungshochschule Benediktbeuern, als auch Maria Hierl, Bildungsreferentin des KDFB Diözesanverband Augsburg, das Thema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ in den gesamtgesellschaftlichen Mittelpunkt: „Ein Thema, das Frauen in allen Generationen beschäftigt“, so beweise es auch der Blick in das Publikum. Und ein Thema, das Vernetzung, politische Diskussion und die Zusammenarbeit über die Parteigrenzen hinweg erfordert.

„Vereinbarkeit von Familie und Beruf greift zu kurz“ – mit diesem einführenden Statement bringt Dr. Martina Heitkötter, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Deutschen Jugendinstitut (DJI) in München, das Anliegen und die Lösungsansätze des Forschungsprojektes „Atmende Lebensläufe“ auf den Punkt: Das Konzept denkt Sorgezeiten für Männer und Frauen, nicht nur bezogen auf ein Kind, sondern auch bezogen auf Pflege. Es denkt Weiterbildung als bereichernde und weiterführende Zeit im Sinne des lebenslangen Lernens, das den bisherigen „Bildungsurlaub“ deutlich erweitert. Und es denkt auch an das allgemeine Wohlbefinden und die Selbstsorge: Eine Auszeit sollte auch zu diesem Zweck möglich gemacht werden. Insgesamt wird so ein Zeitkonto von neun Jahren geöffnet, das jedem angestellten Beschäftigten zur Verfügung steht. Eine Finanzierung sei nicht utopisch, so die Referentin auf Nachfragen aus dem Publikum, bedenke man all die vielen Einzelbezüge, die aktuell von den unterschiedlichen Zuständigkeiten her fließen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hatte diese Forschungsarbeit in Auftrag gegeben, um über das „erweiterte Vereinbarkeitsmodell“ ein umfassendes Gesamtmodell statt nur einzelne Lösungsansätze zu gewinnen. Ziel ist die Anerkennung und Neuorganisation von Fürsorgezeiten. Dafür müssen Staat, Wirtschaft, Gesellschaft und Familie einstehen. Basis dafür sei, so bestätigt Dr. Heitkötter die Nachfrage einer Zuhörerin, auch ein neues Verständnis von Partnerschaft und Gendergerechtigkeit. Nur so können bestehende Ungleichgewichte, wie z. B. die weitaus höhere Altersarmut von Frauen, aufgehoben werden. Das Modell der „Optionszeiten“ realisiert damit die bedarfsorientierte und selbstbestimmte Gestaltung von Erwerbsverläufen für Frauen und Männer – eine Utopie?

 

Um diese Frage dreht sich die anschließende Diskussionsrunde unter der Moderation von Prof. Dr. Egon Endres, Altpräsident der KSH und erweitert den Blick um verschiedene Aspekte der Vereinbarkeit und deren gesellschaftliche und politische Dimension. Jede der Expertinnen selbst, so zeigt die kurze Vorstellungsrunde, lebt ein anderes Modell der Vereinbarkeit, doch für Jede stellt dies eine Herausforderung dar. Karin Weiß, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Bad Tölz-Wolfratshausen, benennt das Problem der Rollenverteilung und die nach wie vor tradierten Rollenbilder. Diese haben dazu geführt, dass die immense Fürsorgearbeit der Frauen monetär und in Bezug auf die Rentenansprüche nicht angemessen vergütet werden. Von Arbeitgeberseite brauche es mehr Flexibiliät, um den unterschiedlichen Ansprüchen der Arbeitnehmer*innen in den verschiedenen Lebensphasen gerecht zu werden. Bezirksrätin Alexandra Bertl (CSU) sieht ebenfalls das deutliche Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen in der Familienarbeit, hier brauche es ein Umdenken und mehr Förderung von Frauen. Diana Stachowitz, Abgeordnete der SPD im Bayerischen Landtag, möchte bei all diesen zukunftsweisenden Modellen vor allem den öffentlichen Dienst in die Pflicht nehmen. Dieser habe die Möglichkeit, hier eine Vorreiterrolle einzunehmen und bereits jetzt Care-Zeiten von Frauen mehr zu würdigen. Als Beispiel nennt sie die Anerkennung von Familien- bzw. Teilzeit-Phasen für den beruflichen Aufstieg: „Warum soll die Frau dafür bestraft werden, dass sie einen Teil ihres Erwerbslebens den Kindern gewidmet hat? Vielmehr sollten Erziehungszeiten bei Beförderungen berücksichtigt werden!“, so ihre markante Forderung. Aus dem Publikum meldet sich Cornelia Irmer, ehemalige Bürgermeisterin der Gemeinde Geretsried, zu Wort: „Seit 40 Jahren“, so die engagierte Politikerin, „hat sich in dieser Frage eigentlich nicht viel bewegt.“ Frauen werden immer noch schlechter bezahlt, tragen die Hauptlast der Fürsorgearbeit und sind durch die geringere Erwerbstätigkeit viel häufiger von Altersarmut betroffen. Sie ruft alle Frauen auf, sich politisch zu beteiligen, denn nur so rücken Frauenthemen stärker in den Fokus. Als Beispiel nennt sie die große VdK-Rentenkampagne unter dem Motto „Rente für alle“. Dem schließt sich Eva Lettenbauer, Abgeordnete der Grünen Landtagsfraktion, an: „Frauen brauchen die Hälfte der Macht, denn bestimmte Themen werden sich nur verändern, wenn Frauen mitbestimmen.“ Von Seiten der Grünen sind bereits viele Initiativen gestartet, die inhaltlich dem Modell der Optionszeiten nahe kommen, wie der Antrag „Zeit für mehr – damit Arbeit gut ins Leben passt“. Annekathrin Papenfuß, studierende Mutter an der KSH, bringt die außerhäusliche Kinderbetreuung zur Sprache, die nach wie vor nicht optimal ist. Kita-Plätze sind oft nicht in der nötigen Buchungszeit verfügbar, und, wie eine Zuhörerin anmerkt, auch nicht in angemessener Qualität. Denn auch an diesem Punkt wird leider gespart. Eine Familientherapeutin merkt an, dass zu oft wirtschaftliche Aspekte und der individuelle Konsum im Mittelpunkt stehen, und dies zum Ersatz für ein zufriedenes Leben gemacht werde. Dr. Martina Heitkötter zeigt sich sehr angetan von den vielfältigen Impulsen, die sowohl vom Podium als auch aus dem Publikum kommen.

Die Schlussrunde macht eines deutlich: Optionszeiten sind eine zukunftsorientierte Modell, das sich an neuen Leitbildern orientiert und ein partnerschaftliches und gleichberechtigtes Erwerbsleben ermöglicht. Doch dafür müssen sich Frauen stark machen! Politisches und gesellschaftliches Engagement, sei es im Verband oder in der Politik, sind dafür der erste Schritt.

Autor: Elisabeth Böswald-Rid, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit
22.05.2019
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Die Teilnehmer*innen der Podiumsdiskussion (v.l.n.r.): Dr. Martina Heitkötter, Eva Lettenbauer, Prof. Dr. Endres, Diana Stachowitz, Karin Weiß und Alexandra Bertl (3.v.r.) mit der stellv. KDFB Bundes- und Landesvorsitzenden Sabine Slawik (4.v.r.) sowie den Referentinnen Elisabeth Böswald-Rid und Maria Hierl (2./3. v.r.) Ganz rechts die Gastgeberin der KSH Prof. Dr. Julia Seiderer-Nack.



Alexandra Bertl, Karin Weiß


Martina Heitkötter, Eva Lettenbauer, Egon Endres