Frauen-Portrait Mariam Esho
Ursula Schell: Liebe Frau Esho – Sie sind chaldäische Theologin. Wie kamen Sie dazu Theologie zu studieren? Ist das im Irak üblich oder haben Sie als Frau Neuland betreten?
Mariam Esho.: Es war nicht ganz ungewöhnlich für eine Frau Theologie zu studieren, denn auch die Frauen, die Nonnen werden, machen dieses Studium. Wir waren in meinem Jahrgang 41 Personen und davon 9 Frauen. Fünf Frauen waren angehende Nonnen und vier waren Studentinnen wie ich.
U.Sch.: Das ist aber viel! Als ich Theologie studiert habe, waren teilweise nur eine oder zwei Frauen in einem Jahrgang, später waren wir dann zu sechst. Wie müssen wir uns das Theologie-Studium im Irak vorstellen?
M.E.: Das Studium dauerte sechs Jahre, davon machten wir zwei Jahre Philosophie, Psychologie, Geschichte und alte Kirchenmusik und dann noch vier Jahre Theologie. Die Uni ist eine kirchliche Universität und es studierten dort nicht nur die Chaldäer, sondern auch syrisch-katholische, assyrische und armenische Christen.
U.Sch.: Da ist Ihr Studium noch umfangreicher als das Theologiestudium in Deutschland und gleich auch noch ökumenisch! Wie kamen Sie dann nach Europa und wie wurden Sie hier aufgenommen?
M.E.: Ich war zuerst ein Jahr in Belgien und kam dann nach Deutschland. Hier habe ich angefangen, mich in der Kirche zu engagieren. Ich habe theologische und biblische Vorträge gehalten, mich für junge Erwachsene engagiert und den Kirchenchor geleitet.
U.Sch: Sie arbeiten ja als Theologin viel mit chaldäischen Frauen. Was ist Ihnen in Ihrem Engagement wichtig und wie setzen Sie Ihre Ideen um?
M.E.: Die chaldäischen Frauen wollten mehr über ihren Glauben erfahren, daher habe ich sie ermutigt, selbstständiger im Glauben zu werden und sich etwas zuzutrauen. Pfarrer Maier von St. Konrad in Augsburg hat dann mit der Diözese vereinbart, dass ich für zwei Jahre als pastorale Mitarbeiterin angestellt wurde, um für den Brückenbau zwischen den Chaldäern und der katholischen Kirche zu sorgen. Wir haben viel gemeinsam ökumenisch gemacht und einiges bewegt. Außerdem bereite ich auch arabisch sprechende Muslime, die zum Christentum konvertieren möchten, auf die Taufe vor. Erst kürzlich wurden sechs Personen getauft.
U.Sch: Die chaldäische Kirche ist ja eine der ältesten christlichen Kirchen, die noch Aramäisch - die Sprache Jesu - spricht und jahrhundertelang im arabischen Raum beheimatet war. Was hat sich durch den Krieg im Irak und in Syrien und durch den IS für die chaldäische Kirche geändert? Wie sehen Sie die Zukunft der Chaldäer im arabischen Raum?
M.E.: Die Gottesdienste im Irak sind immer noch auf Altaramäisch, aber auch teilweise auf Arabisch, weil nicht mehr alle Aramäisch verstehen. Inzwischen wurde die Universität als auch das Priesterseminar von Bagdad nach Erbil verlegt, weil es wegen des IS zu gefährlich war. Viele Chaldäer sind inzwischen wegen der Kriege ausgewandert und leben jetzt in den USA, in Australien oder in Europa. In Augsburg sind wir 1400 Chaldäer.
U.Sch: Wie sehen Sie Ihre Zukunft in Augsburg und was wünschen Sie sich für die Zusammenarbeit mit anderen Christ/-innen?
M.E.: Ich wünsche mir Türöffner wie Pfr. Maier und Sr. Elisabeth, da habe ich viel gelernt. Neben der Pastoral arbeite ich ehrenamtlich als Flüchtlingshelferin und übersetze oft bei Behörden, im Krankenhaus oder Jobcenter.
Da viele Syrerinnen und Kurdinnen Probleme mit ihren Männern haben, arbeite ich auch im Frauenhaus als Übersetzerin und unterstütze die Frauen auf ihrem Weg. Gewalt und Unterdrückung von Frauen sind nicht tolerierbar! Als Christin im Irak habe ich erlebt, dass Frauen in diesen Situationen von der christlichen Kirche unterstützt worden sind und die Männer zurechtgewiesen wurden. Diese Erfahrungen haben die muslimischen Frauen im Frauenhaus nicht. Ich möchte ihnen den Rücken stärken und sie unterstützen, damit sie hier ohne Gewalt leben können.
U.Sch.: Vielen Dank für das interessante Gespräch. Ich freue mich schon auf unseren Frauentag am 21.4. in Schwabmünchen. Dort werden Sie in Ihrem Workshop noch mehr über sich und Ihre Kirche erzählen!