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Frauenportrait – selbst.bewusst.offen

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Sabine Wagner sitzt im Rollstuhl, wohnt in Bamberg und arbeitet als Sozialpädagogin. Sie ist eine unabhängige Frau, die ihr Leben selbstständig führt, sich frei bewegt und vor zwei Jahren eine Reise um die Welt gemacht hat. Dr. Evi Thomma-Schleipfer lernte Sabine Wagner auf einer Fortbildung kennen und fragte sie, wie sie so selbstständig wurde.

Sabine, wann hast Du zum ersten Mal erkannt, dass Du anders bist?
Das ist eine spannende Frage. In meiner Familie bin ich wie meine drei Geschwister aufgewachsen, das war meiner Mutter sehr wichtig. Ich musste genauso im Haushalt mithelfen, es gab keine Sonderbehandlung für mich. Im Kindergarten hatte ich zwar einen Gehrolator und Prothesen, dennoch war ich mitten drin und mein Anderssein war nicht bedeutsam. Zum ersten Mal habe ich es bewusst wahrgenommen, als ich in die Schule kam und wir als Familie umziehen mussten, weil mich keine Regelschule in Bamberg aufgenommen hat.

Wie reagierte Deine Umgebung auf Dein Anderssein und wie hat Dich das verändert?
Als Kind und auch als Jugendliche hatte ich viele Freunde, die immer Wege gefunden haben, wie ich mit dabei sein konnte. Sie haben mich mit dem Rollstuhl an ihr Mofa angehängt oder die Jungs haben mich getragen. Schwierig wurde es in der Pubertät, als die Identitätsfindung als Mann und Frau und die Entdeckung der Sexualität hinzukam. Meine Freunde gingen Beziehungen ein. Ich war aber immer nur der Kumpel. Da habe ich nicht mehr ins Bild gepasst. Eine einschneidende Erfahrung wurde für mich dann die Suche nach einem Ausbildungsplatz und der Abbruch meiner Ausbildung, weil die Menschen nicht mit meiner Einschränkung klar kamen und es eskalierte. Ich musste gerade im Berufsleben sehr stark um meinen Platz kämpfen. Auch später, als ich als Sozialpädagogin, die mit 1,7 ihr Diplom abgeschlossen hatte, eine Stelle suchte, machte ich nach vielen Bewerbungen und erfolglosen Vorstellungsgesprächen die Erfahrung, dass es viele Berührungsängste gegenüber Menschen mit Behinderung gibt. Meine Stelle als Arbeitsvermittlerin bei der Bundesagentur für Arbeit habe ich erst bekommen, als ich an die Öffentlichkeit ging und sich die Staatssekretärin Melanie Huml einschaltete und ihre Kontakte für mich einsetzte. Ich wurde zur Kämpferin für meine Rechte, mein großes Vorbild war dabei meine Mama.

Du bist mit 17 von Zuhause ausgezogen und hast vor zwei Jahren eine Weltreise unternommen. Wie hast Du das mit Deiner Einschränkung gemeistert?
Ich wurde von meiner Mutter sehr selbstständig erzogen, darauf konnte ich aufbauen, mir mein Leben einrichten und meine Lebensträume erfüllen. Heute lebe ich ein ganz normales Leben und versorge mich selbst. Ich fahre Auto und bin unabhängig. Die 9-monatige Weltreise über Thailand–Australien-Bali–Singapur–Hawaii–USA brachte mir neue Erfahrungen und Herausforderungen, vor allem aber Begegnungen mit offenen und hilfsbereiten Menschen. Überall war ich willkommen und wurde mir geholfen bei der Suche nach Unterkunft und der Überwindung von Barrieren für Menschen mit Behinderung. Im Gegensatz zu meinen Erfahrungen in Deutschland fühlte ich mich überall angenommen.

Warum hast Du mit dem Rollstuhl eine Reise um die Welt unternommen und was hast Du auf dieser Reise erlebt?
Ich wollte sehen wie weit ich gehen kann und was ich alleine schaffen kann. Einen Lebenstraum verwirklichen. Viel Zeit und Kraft habe ich für die Suche nach einer Unterkunft und die Reisewege gebraucht. Insbesondere im asiatischen Raum ist man auf Rollstuhlfahrer*innen nicht eingestellt. Aber überall hat mir jemand weitergeholfen. In Australien konnte ich sogar Erfahrungen mit Tauchen machen, liebe Menschen haben sich dafür engagiert, es möglich zu machen. Das Interesse an mir war groß, in Perth/Australien wurde ich sogar spontan zum Radio-Interview eingeladen. Auf Hawaii war ich sofort körperlich, geistig und seelisch angekommen, ich habe mich von Anfang an heimisch gefühlt.

Was hast Du noch vor in Deinem Leben?
Ich möchte meine Lebensträume noch weiter verwirklichen: Unter anderem möchte ich gern für eine Zeit lang in Hawaii leben, mit dem Helikopter fliegen und eine Indienreise machen. Und dann möchte ich nach wie vor noch mein Buch über die Weltreise schreiben. Außerdem hätte ich gerne ein Fahrrad.

Was kannst Du anderen empfehlen, wie man selbstbewusst lebt?
Um selbstbewusst und stark zu werden, muss man sich selbst akzeptieren und lieben, sich nicht bemitleiden, sondern für seine Rechte kämpfen!

 

Sabine Wagner freut sich über finanzielle Unterstützung zu ihrem Buchprojekt oder auch für das Fahrrad. Man kann Kontakt zu Sabine Wagner aufnehmen und mehr über sie erfahren auf  www.beans-trip-around-the-world.com. Auch auf Instagram und Facebook ist sie zu finden.

 

Autor: Dr. Evi Thomma-Schleipfer, KDFB-Geschäftsführerin
04.12.2017
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