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KDFB im Gespräch über Soziale Frauenberufe

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Professorin Veronika Schraut von der Fachhochule Kempten eröffnete die Podiumsdiskussion mit einem wissenschaftlichen Input zum Thema „Geschlechtertrennung in der Arbeitswelt“. Was deutlich wurde: In den „klassischen“ weiblichen Berufsfeldern Gesundheit, Pflege und Erziehung arbeiten fast 80% Frauen – sehr selten in Führungspositionen. Die Entscheidung für eine Ausbildung in einem sozialen Beruf erfolgt auch heute noch nach geschlechtstypischen Talenten. Und diese sind oft die althergebrachten pflegenden, sorgenden und erziehenden Tätigkeiten.

Moderatorin Susanne Zehentbauer (Radio RT1) eröffnete die Gesprächsrunde mit Dr. Claudia Spindler von der Fachakademie in Kempten, die vor allem die Vergütung der Erzieherinnen während der Ausbildung beschreibt. Sie ist sich sicher: Wenn die Bezahlung der Ausbildung angehoben wird, entscheiden sich mehr junge Leute für den Beruf – nicht zuletzt auch mehr Männer. „Wenn allerdings auch die Träger nicht bereit sind, die Auszubildenden entsprechend zu honorieren, ist dies der erste Schritt in Richtung mangelnder Wertschätzung.“ Für Claudia Spindler ein Anlass, direkt den Kontakt aufzunehmen und von den ausbildenden Betrieben eine gerechte Bezahlung einzufordern. Claudia Dachs, Leiterin der Hebammenschule in Augsburg ergänzt: „Wir Frauen sitzen doch bei Gehaltsverhandlungen am liebsten unter dem Tisch. Ich ermutige alle meine Auszubildenden, selbstbewusst für ein angemessenes Gehalt einzutreten.“ Geld ist die eine Sache, Berufung und Pflichtgefühl eine andere. Davon weiß Ursula Zwick, Gewerkschaftssekretärin im Bezirk Allgäu, zu berichten. Ihrer Ansicht nach sind es gerade die Arbeitnehmerinnen in sozialen Berufen selbst, die angemessene Streikforderungen nicht durchsetzen können: „Das Pflichtgefühl und die Verantwortung den betroffenen Menschen gegenüber hält die Frauen oft davon ab ihre Forderungen durchzusetzen.“ Vielfach werde zwar gestreikt, doch die verbleibenden Mitarbeiter/-innen auf der Station arbeiten doppelt so viel, um die Patienten nicht unter dem Streik leiden zu lassen. Eine bekannte Situation, wie Professorin Veronika Schraut bestätigt: Über Jahrhunderte waren die sozialen Berufe „dienende“ Berufe und Frauen haben aus Selbstverständlichkeit und Pflichtgefühl, aber auch aus Leidenschaft, diese Aufgaben übernommen.“ Dass dafür entsprechende Rahmenbedingungen und gerechte Löhne gefordert werden dürfen, ist für mache ein neuer Schritt.  

Ursula Liebmann-Brack, Theologin und exam. Altenpflegerin, berichtet aus ihrem Berufsalltag in der Altenpflege. Obgleich dies nun schon viele Jahre zurückliegt – mittlerweile arbeitet sie in der Altenseelsorge – sind ihr die schwere körperliche Tätigkeit sowie die große psychische Belastung noch sehr präsent. Heute erlebt sie in ihrem Alltag in den Pflegeheimen jedoch eine noch stärkere emotionale Anspannung der Mitarbeiterinnen: „Der Anteil der Demenzkranken in den Heimen hat extrem zugenommen und kostet die Mitarbeiterinnen große seelische Kraft.“ Überforderung und psychischer Stress sind Alltag. Ein weiterer Nachteil ist, dass das Berufsbild nicht mehr ganzheitlich ausgelegt ist, und sich mittlerweile rein auf den pflegerischen Bereich beschränkt: „Gespräche, Spiele, Basteln – all das gehörte früher auch zum Berufsbild der Altenpflegerin, wird aber heute von den kostengünstigeren Betreuungsassistent/-innen übernommen.“

Erna-Kathrein Groll ist engagierte Stadträtin in Kempten (Bündnis 90/Die Grünen) und weiß um den Notstand in den sozialen Berufen. „In der Altenpflege wird es in ein paar Jahren schlimm werden, im Bereich der Erzieherinnen sind wir bereits mitten in einer bedenklichen Situation“. Staatlichen Zahlen haben sich leider nicht mit der Realität gedeckt, die Kinderzahlen steigen weiter und somit besteht ein hoher Mangel an Personal für Kindertagesstätten. Erna-Kathrein Groll ist überzeugt, dass Ausbildung, Weiterbildung und Karrierechancen so verändert werden müssen, dass das Berufsfeld auch für Männer attraktiv wird: „Dafür müssen wir kämpfen, aber gemeinsam mit den Männern. Wir müssen im Gespräch bleiben, Kräfte bündeln und Mitspracherecht einfordern“. Grundlegend für bessere Rahmenbedingungen in der Pflege ist ihrer Meinung nach ein neues Krankenhausfinanzierungsgesetz, das die Arbeit der Pflegenden durch eine bessere finanzielle Ausstattung angemessen honorieren kann.

Hebamme Claudia Dachs spricht angesichts der ständigen personellen Unterbesetzung von einer „Hetzjagd durch die Kreissäle“. Es mangele an Zeit, um wirklich auf die Bedürfnisse der Frauen einzugehen. Trotz anhaltender großer Nachfrage fehlen Ausbildungsplätze an den Hebammenschulen und werden von staatlicher Seite nicht zur Verfügung gestellt.

Zum Thema Ausbildung haben Prof. Schraut als auch Dr. Spindler ein großes Anliegen: Sie kämpfen gegen eine drohende Dequalifizierung v. a. der Erzieherinnen und für eine Akademisierung der sozialen Frauenberufe. Damit erhalten Frauen in diesen Berufsbildern die Möglichkeit zur Weiterbildung, zum Aufstieg und schließlich zu besseren Arbeitsbedingungen und höherer Anerkennung.

Um konkret Schritte zur Verbesserung der Situation in sozialen Berufen im Raum Kempten einzuleiten, schlug Erna-Katherein Groll „Round-Table-Gesprächen“ vor, um Interessen zu bündeln und sich gemeinsam stark zu machen.

Diözesanvorsitzende Mechthilde Lagleder dankte den Expertinnen auf dem Podium und zeigte sich äußerst beeindruckt von deren Engagement und Erfahrungsschatz: „Wir sehen es als Frauenverband als unsere Pflicht, auf den negativen Zusammenhang zwischen Frauenberuf und schlechter Bezahlung aufmerksam zu machen und werden dazu einen entsprechenden Antrag auf Bundesebene des KDFB formulieren“. So wie es beim dritten Rentenpunkt bereits erfolgreich geschehen ist, soll auch für die sozialen Frauenberufe über Unterschriftenaktionen einen starke Lobby erreicht werden. 

14.04.2018
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