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Trau dich! Vierter Wochenimpuls

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Das denkende Herz der Baracke:

Leben und Gedanken von Etty Hillesum

Etty Hillesum (Esther Hillesum) wurde 1914 in der südniederländischen Stadt Middelburg geboren. Eine junge Frau, die vor Leben sprüht, begeistert ist, mit Humor und Sensibilität leidenschaftlich lebt und liebt. Sie studierte Jura, Slawistik und Psychologie, und verspürte in sich einen großen Drang zu schreiben, und … sie träumte von der Zukunft. Mit Ausbruch des 2. Weltkriegs und der Naziherrschaft in den Niederlanden, verändert sich für Etty Hillesum alles, da sie Jüdin ist. Ihre Tagebücher von 1941- 43 geben erschütternde Einblicke in ihr Leben.

Wir könnten Etty Hillesum als: Gottsucherin, Mystikerin, Liebende, Friedensstifterin oder auch Zeitzeugin beschreiben. Sie beschreibt sich, 1943 vor ihre Deportation nach Ausschwitz, folgendermaßen:

„Wenn ich nachts auf meiner Pritsche lag, mitten zwischen leise schnarchenden, laut träumenden, still vor sich hin weinenden und sich wälzenden Frauen und Mädchen…, dann war ich oft unendlich bewegt, ich lag lange wach und ließ die Ereignisse, die viel zu vielen Eindrücke eines viel zu langen Tages im Geist an mir vorbeiziehen und dachte: Lass mich dann das denkende Herz dieser Baracke sein“

Das denkende Herz dieser Baracke“! Diese Kurzformel bringt ihr lebenslanges Nachdenken über die Fragen des Lebens, über Gott und die Welt auf den Punkt. Zu Gott findet sie nicht durch kirchliche Sozialisation, gelernte Glaubenssätze und Tradition, sondern durch dieses unermüdliche Nachdenken. Ein Nachdenken und inneres Bewegen, welches zum nachdenkenden Beten wird.

Augustinus und Rilke sind geistliche Vorbilder. „In Gott Ruhe zu finden“ und „Lerne ohne Eigennutz zu lieben“ waren wichtige Impulse für ihre spirituelle Suche. So wandelt sich ihre individuelle Liebe zu einem Menschen, weitet sich aus, wird zur Nächstenliebe, die alle Menschen einschließt und in der Übung der Feindesliebe gipfelt, die es schafft auch schwierige Beziehungen zu Menschen zu versöhnen und zu verwandeln. Letztendlich war es dann die tiefe Liebe zu Gott, die „eine gegenseitige“ geworden ist, die ihr zur Kraftquelle mitten im Leid und im Angesicht des Todes wird. 

Ich will dir helfen, Gott, dass du mich nicht verlässt, aber ich kann mich von vornherein für nichts verbürgen…Nur dieses eine wird mir immer deutlicher… und mit fast jedem Herzschlag immer klarer, dass du, Gott, uns nicht helfen kannst, sondern wir dir helfen müssen und deinen Wohnsitz in unserem Inneren bis zum Letzten verteidigen müssen.“

Mich beeindruckt, wie Etty Hillesum Gottes Wohnsitz im Herzen ihrer Seele bis zum Letzten verteidigt, um mitten im Elend der Hoffnungslosigkeit zur Lichtgestalt zu werden. Wie sie sich den Menschen annimmt, um „ein Pflaster auf viele Wunden zu sein.“

 

Impuls für den Alltag:

Wenn wir angesichts des Krieges in der Ukraine klein-mütig und mut-los sind, ermutigt uns Etty Hillesum groß-mütig zu werden! Den Mut nicht verlieren und Gottes Verheißung zu glauben, dass Er uns nicht verlässt. Ja, noch viel mehr: Gott zu helfen, dass Er uns nicht verlässt, indem wir Gottes Wohnsitz in unserer Seele bis zum Letzten verteidigen, um mitten in den Auffanglagern dieser Welt zu liebevoll handelnden Lichtgestalten zu werden, und Pflaster auf viele Wunden zu sein.

Autor: Birgit Schüssler
21.03.2022
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