Wir machen uns stark für Frauen
Gesellschaftspolitisch, kirchlich und sozial engagiert vertreten wir die Interessen von Frauen.

Statement Dr. Christiane Florin

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Was beschäftigt Sie gerade zum Thema „Frauen und Kirche“?
Mich beschäftigt die Frage, warum Frauen in der katholischen Kirche wie Hochrisikowesen behandelt werden. Von ihnen muss irgendeine Gefahr ausgehen, sie dürfen keineswegs über sich selbst entscheiden. Kleriker legen fest, was ein wahre katholische Frau ist, wie weit sie gehen darf und vor allem: wo der Weg für weibliche Wesen zu Ende ist.  Damit meine ich nicht nur die Weihe. Die Diskriminierung fängt deutlich früher an. Sie zeigt sich darin, dass Frauen feste Plätze zugewiesen werden – Jungfrau oder Mutter, dazwischen darf sie sich entscheiden. Sie zeigt sich darin, dass Frauen bei Synoden kein Stimmrecht bekommen. Sie zeigt sich darin, dass ständig neue Arbeitskreise das Wesen des Weibs ergründen sollen. Kürzlich hat Papst Franziskus schon wieder eine Diakoninnenmöglichkeitsprüfungskommission einberufen. Ich frage mich: Was soll die Neues herausfinden? Es gibt Frauen schon länger als es die Kirche gibt und schon länger als es Bischöfe gibt. Das „und“ in der Formulierung „Frauen und Kirche“ wirkt nicht verbindend, es ist trennend. Frauen tragen zwar die Kirche an der Basis, aber sie gehören nicht so richtig dazu. Das Lehramt beäugt sie misstrauisch. Frauen bleiben Fremde.

Welche konkreten Schritte erwarten / fordern Sie?
Ich fordere Gleichberechtigung. Die gibt es nicht in kleinen Schritten, die gibt es auch nicht durch Pragmatismus. Die ist nur mit einer 180-Grad-Wende der lehramtlichen Aussagen zu haben. Bisher lautet die römisch-katholische Position: „Frauen sind gleichwertig, aber nicht gleichartig“. Aus dieser Nicht-Gleichartigkeit folgt, dass Frauen nicht dieselben Möglichkeiten haben wie Männer. Sie können sich für bestimmte Aufgaben nicht qualifizieren; ihre Begabung zählt nicht – nur deshalb, weil sie das falsche Geschlecht haben. Diese Diskriminierung hat eine lange Geschichte, die Ressentiments gegenüber dem Weib als Hure, Verführerin, Unreine sitzen tief. Der schlichte Satz „Frauen und Männer sind gleichberechtigt“ gilt im römisch-katholischen Kosmos immer noch als Maximalforderung, als Unverschämtheit. Ich sehe unter den deutschen Bischöfen niemanden, der dafür streitet. Frauen sollen dankbar sein, wenn Bischöfe über – wie es dann immer heißt „die Rollen von Frauen neu nachdenken“ und gönnerhaft eine Frauenquote für Führungspositionen festlegen. Man sieht gerade jetzt sehr deutlich: Die katholische Kirche entwickelt sich nicht langsamer als die modernen Gesellschaften, sie bleibt auch nicht stehen, sie entwickelt sich in punkto Emanzipation zurück.  Sie ist attraktiv für Jungs, die unter sich bleiben wollen. Frauenverachtung ist der harte, hohle Markenkern und der wird mit aller Macht verteidigt. Widerspruch und Argumente weichen diesen Kern nicht auf, ich widerspreche aber – trotzdem.

Wie erleben Sie die Resonanz?
Ich bin weiß Gott nicht die erste, die Bücher über Gleichberechtigung in der Kirche schreibt. Aber viele Schriften richteten sich eher an ein theologisches Fachpublikum. „Der Weiberaufstand“ dagegen ist nah am kirchlichen Alltag. Ich fasse zwar auch die theologische und kirchenpolitische Diskussion zusammen, aber ich beschreibe mit Schärfe und Ironie viele Situationen, die jede kennt. Die ganz normale Herabsetzung eben.  Gerade Katholikinnen haben verinnerlicht, dass sie den Fehler immer bei sich suchen sollen und Ungerechtigkeit schon gar nicht mehr wahrnehmen. Wenn sie dann doch mal etwas Kritisches sagen, bekommen sie zu hören: „Sei doch nicht so empfindlich“. Damit wird eine systematische Diskriminierung zur persönlichen Empfindlichkeit verniedlicht. Machtverhältnisse werden verschleiert. Ich gebe den Leserinnen und Lesern Argumente an die Hand, damit sie widersprechen und sich argumentativ gegen wehren können. Dafür sind viele dankbar, ich bekomme überwältigend viel positive Resonanz.

Aber klar ist natürlich auch: Wenn Sie Gleichberechtigung fordern, müssen Sie sich darauf gefasst machen, vom rechtskatholischen Lager diffamiert und diskreditiert zu werden. Was bei einem Autor als Beharrlichkeit gelobt wird, gilt bei einer Autorin als Verbissenheit. Beliebt ist auch die Variante: „Sie arme, verirrte Seele! Ich bete für Sie!“. Dann antworte ich: „Vorsicht, ich bete zurück!“. Ich habe mir ein dickes Fell zugelegt, seit ich für Frauenrechte streite – deshalb die lila Lederjacke.

20.07.2020
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